Gasmangel im Aargau – wie geht gerechtes Frieren?
Für alle Fachleute ist es klar – höchstwahrscheinlich haben wir im Q1 2023 zeitweise zuwenig.
1. Der Gasmangel in Europa ist real – im Aargau sind 17% der Haushalte und Betriebe vom Gas abhängig.
Im Aargau versorgen 12 verschiedene Gaswerke rund 50% der Gemeinden mit Gas. Gas ist im Aargau überproportional wichtig. 17% des Energieverbrauchs stammen im Aargau aus Gas. Im schweizerischen Durchschnitt sind es nur 12%. 7 Gaswerke sind im Aargau zu Hause – 5 in benachbarten Kantonen. Der Gaspreis ist bei den meisten Haushalten seit 2021 bereits um 70 – 90% gestiegen. Für das Jahr 2023 erwartet die Branche nochmals einen massiven Preisaufschlag – wie gross er sein wird, wagt z.Z. keines der angefragten Werke zu prognostizieren. Einzelne reden von nochmals 100%. Dann wäre der Gaspreis bei 30- 40 Rp/KWh angelangt (eine genau Zusammenstellung der Gasversorgung in jeder Gemeinde findet sich in folgendem Dokument).
Der Gasmarkt im Aargau
2. Die 12 Gaswerke im Aarau tun ihr Bestes – und kaufen kräftig ein.
Die Gaswerke haben lange gezögert – bis im Juni hat sich fast nichts getan. Andre Dose meinte, man hätte im März das notwendige Gas für 1-2 Mia kaufen können, jetzt – im Juli habe man bereits 3x mehr bezahlt. Die Gaswerke, die die Regionen Aarau, Zofingen, Wohlen, Lenzburg und Rheinfelden versorgen, haben kräftig in Frankreich/Algerien eingekauft. Sie haben 150% des letztjährigen Volumens bestellt. Wenn die Franzosen dann auch liefern werden, werden die Stuben in diesen Regionen nicht kalt sein. Wenn nicht (die Corona-Masken lassen grüssen), dürfte es bitter werden.
3. Gassparen aber wie? – das weiss niemand so genau
15% Gas will man sparen – das ist die europäische Übereinkunft. Ein Grad weniger Wärme im Haus soll 6% weniger Gasverbrauch bewirken. Wie man das machen will – ausser über «Spar-Werbung» – weiss bei den Gaswerken niemand so recht. Vielleicht hilft die Öl-Versorgung, denn rund 50% des Gaskonsums geht bei den meisten Gasnetzen ins Gewerbe und in die Industrie. Und die Hälfte dieser Betriebe könnte ihre Gebäude auch mit Öl heizen (2 Stoff-Anlagen). Das könnte bei allen angefragten Gas-Netzen zu rund 25% Gaseinsparungen führen – aber so ganz genau weiss es niemand – wenn man genauer nachfragt. Überhaupt: die Datenlage (wer bei uns braucht wieviel Gas und warum?) ist bei den meisten der Angefragten ziemlich dürftig. Im Moment wird viel «grob geschätzt».
4. Wie geht «gerechtes Frieren»?
Rund 20-25% der Wohnungen im Aargau werden mit Gas geheizt, die mehr als 55% mit Öl, eine kleine Gruppe mit Wärmepumpen (ca. 10%), mit Holz (ca. 2%) und mit Elektro-Direktheizungen (ca. 5%). Bringt es etwas, wenn auch die Häuser mit Ölheizungen etc. – aus Solidarität – ebenfalls die Raumtemperatur senken? Wer weiss, wie solidarisches Handeln für alle viel einfacher ist, wird das unterstützen. Wer sich generell für den Klimaschutz einsetzt sowieso, denn «weniger ist das neue Normale». Seien wir solidarisch und senken wir unseren Ressourcenverbrauch – in allen Sektoren. Wir alle lernen das Neue – jetzt!
5. Jetzt Effizienz-Programme durchführen – dank den Preissteigerungen wirkt es
Die angedrohte Gasknappheit und die Energiepreissteigerungen im Strom und Gas haben auch ihre guten Seiten: Energieeffizienz wird belohnt. Das müssen wir deutlich herausstreichen und auch nutzen – für den Umbau der Energiewirtschaft und für die breite Respektierung der Grenzen unseres Planeten. Gas-Sparen, Energie-Sparen können wir so zum Anlass nehmen, bei allen Prozessen im Haus und in den Unternehmen zu fragen, wo «Verbrauch ohne Nutzen» (VON) stattfindet, wo wir mangels «Intelligenz» Energie sehr ineffizient nutzen (wir «verdummen» 1/3 der Energie), wo wir also einsparen können ohne Verzicht an Lebensqualität. Eine umfangreiche Liste von konkreten Möglichkeiten finden die Leserinnen in folgendem Dokument.
Effizienzprogramme in Haus und Betrieb
6. Hat Gas überhaupt eine Zukunft?
Spätestens jetzt, in der die Gasversorgung zur strategischen Waffe geworden ist, müssen wir unbedingt über die Zukunft der Gas-Energie reden. Denn eigentlich hat Gas als Wärmequelle keine Zukunft. Erdgas muss verschwinden (Decarbonisierung) und Biogas und synthetisches Gas sind – auch in Zukunft – viel zu teuer und zu kostbar, um damit Raumwärme im Schweizer Mittelland zu erzeugen.
Dort stehen schon heute viel billigere Lösungen bereit. Und neue Investitionen in eine Erneuerung der Gasnetze oder gar in einen Ausbau der Gasinfrastruktur (Gaslager, Flüssiggas-Terminals etc.) müssen ab sofort unbedingt verhindert werden.
«Green Gas» müssen wir für industrielle Hochtemperaturprozesse, und für Regionen ohne Stromnetzversorgung reservieren. Auch das ist ein Teil einer solidarischen Klimazukunft.