Verfassungswidrige Energiepolitik der Kantonsregierungund niemand stört das!

Die Folgen des Ukrainekriegs lassen uns auch energiepolitisch erzittern. Plötzlich wird der Blackout schon im kommenden Winter eine wahrscheinliche Option – nicht erst im Jahr 2025! Die SVP schiesst direkt auf Simonetta Sommaruga – mit unhaltbaren Vorwürfen aber mit Absicht. Denn die Verantwortung für die Energieversorgung liegt alleine bei den Kantonen. Aber diese tun so als wüssten sie von nichts. Und viele versagen seit 10 Jahren auf der ganzen Linie. Lieber macht man den Bund dafür verantwortlich. Nur hat er gar keine Instrumente, um Energie bereitzustellen.
Der Service Public Auftrag zur Energieversorgung, den die Kantone haben, wird seit Jahren verschwiegen – sehr zum Schaden der Umwelt und bald auch der Bevölkerung, vorab der wirtschaftlich Schwachen. Viel lieber sprach man von der Strommarktliberalisierung.

Die Stromknappheit wird real – Abschaltungen drohen uns schon im Winter 22/23

Stromknappheit mit regionalen Abschaltungen sind das wahrscheinlichste Szenario für diesen Winter. Bis im Februar 2022 rechneten alle damit, dass der Strom «erst» ab 2025 knapp werden wird, weil dann die letzten AKW’s in Deutschland vom Netz gehen werden. Aber seit Putins Überfall auf die Ukraine und dem drohenden Gasembargo durch Russland, wird Strom aus deutschen Gaskraftwerken wohl sehr knapp werden. Der europaweit gesteigerte Strombedarf, der aktuelle Ausfall von 26 AKW in Frankreich tragen das Ihre dazu bei, dass der Strom dann, wenn die Schweizer auf den Import zwingend angewiesen sind, wohl sehr knapp und darum auch sehr teuer werden wird (man spricht von 2-400% Preissteigerung gegenüber den Preisen im 2021).
Dieser europäischen Perspektive sind die 101 Stromversorgungsunternehmen im Aargau ausgeliefert, weil sie zusammen jährlich 4000 GWh Strom (80%) einkaufen müssen. D.h. wird der Strom knapp, gehen die internationalen Strompreise schnell rauf und /oder bei uns z.T: die Lichter aus und / oder die Preise durch die Decke.

Die Energieversorgung der Bevölkerung ist eine reine kantonale Aufgabe – aber niemand will das wissen

Die Kantonsverfassungen halten klar fest, dass der Staat dafür sorgen muss, dass die Bevölkerung ausreichend mit Energie versorgt wird, dass sie umweltgerecht und wirtschaftlich erzeugt und dass sie sparsam verwendet werden muss.
Im Aargau kann der Kanton – laut Verfassung Ar. 54 – sogar Versorgungsbetriebe errichten oder sich daran beteiligen. Doch von dem alles ist im Kanton Aargau nichts zu spüren und zu lesen. Dabei wäre genau das seit Jahren dringend.
Und die Politiker:innen wissen es nicht mal – sie scheinen die Verfassung auch nicht sonderlich zu kennen. Aber im kantonale Energiegesetz (2012) wird lediglich festgehalten:

Das Gesetz strebt an, eine zuverlässige und wirtschaftliche Energieversorgung ….. sicherzustellen

https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/texts_of_law/773.200 §1 a)

Doch Instrumente, um das konkret zu realisieren, gibt es im Gesetz praktisch keine. Und über den verpflichtenden Versorgungsauftrag (siehe: Kurt Eichenberger: Verfassung des Kantons Aargaus. Textausgabe und Kommentar, Sauerländer, 1980) wird nirgends gesprochen.

Und die Kantonsregierung macht: NICHTS!

Dass die Regierung es seit Jahren unterliess, dafür zu sorgen, dass die dringend benötigten neuen erneuerbaren Energien ausgebaut werden, wurde in der Vergangenheit nur von der SP und den Grünen angeprangert. Die bürgerliche Antwort lautete immer, dass wir nur die Rahmenbedingungen ändern müssten, dann würde es das Markt schon richten. Und überhaupt liege es an jedem Einzelnen, zu sparen resp. PV-Anlagen auf seinem Dach zu installieren. Eigenverantwortung wurde gepredigt, die Subventionen kurz und die Rückliefertarife tief gehalten, sodass der PV-Anlagenbesitzer für den bezogenen Strom rund 24 Rp/KWh bezahlte, aber für den Sonnenstrom, den er ins Netz einspies, nur 4-6 Rp/kWh erhielt. So blieb im Aargau der Zubau an Photovoltaik weit hinter den sehr moderaten Zielen des Kantons zurück. Bis 2020 wurden gerade mal 6% des PV-Potentials auf den Dächern des Kantons realisiert. Die Kantonseigene AEW ist noch weiter im Hintertreffen: sie produziert gerade mal 2% des Stroms, den sie verkauft, in eigenen PV-Anlagen. Die ENIWA (im Besitz der Stadt Aarau) liegt noch weiter hinten. Ihr PV-Anteil aus eigenen Anlagen beträgt 0,4%! Und stagniert seit Jahren.
Neben den fehlenden Zubauten bei der PV-Energie, hat der Kanton (und die 220 Gemeinden) kein ernsthaftes Programm gestartet, um die Stromeffizienz deutlich zu steigern. Obwohl jede eingesparte kWh ist in Zeiten der Knappheit sehr viel wert. Dabei wissen wir dank einer Studie des Bundesamts für Energie (BFE), dass das Einsparpotential durch intelligente Nutzung (Nicht Verzicht!) bei rund 28% liegt. Für den Kanton Aargau bedeutet dies, dass hier eine «verdeckte Quelle» von rund 1400 GWh/Jahr freigelegt werden könnte. Nur – ein solches Programm ist nicht einmal angedacht. Dabei macht die BFE-Studie Mut, in dem sie herausgefunden hat, dass 3% (d.h. 160 GWh im Kanton Aargau) sehr einfach und schnell realisiert werden könnten. Damit verletzt die Regierung sowohl die Kantonsverfassung, denn gemäss Art 54 muss sie für die sparsame Energieverwendung sorgen, wie auch das Energiegesetz, denn Art. 2 (Ziele) verpflichtet den Kanton, dafür zu sorgen, dass die Energieeffizienz in der Energieanwendung erhöht und Energie sparsam eingesetzt werden muss. Offenbar ist für die Regierung des Kantons Aargau der Verfassungsauftrag zur Stromversorgung rein deklamatorisch zu verstehen. Wenn es denn zum Blackout in einzelnen Regionen kommen sollte, sind ja andere, vorab Simonetta Sommaruga und der Bundesrat verantwortlich. Dumm nur, dass die Bundesverfassung und die Verfassung des Kanton’s Aargau eine ganz andere Verantwortlichkeits-Pyramide definiert haben. Doch die Frage bleibt: wird das überhaupt jemand merken? Wir sind gespannt.